Werkstattrisiko – 

ein Machtwort des Bundesgerichtshofs!

 

Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 16. Januar 2024 ein Machtwort zum Thema Werkstattrisiko gesprochen. Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs ist sowohl für Unfallgeschädigte als auch für Werkstätten höchst erfreulich ausgefallen und dürfte für zukünftige Diskussionen mit Versicherungen oder vor Gericht eine erhebliche Erleichterung darstellen.

1. Worum ging es?

Der Bundesgerichtshof hatte in mehreren Fällen über die Ersatzfähigkeit von Kfz-Reparaturkosten nach einem Unfall im Falle des sog. Werkstattrisikos zu entscheiden. Einfach ausgedrückt: Es ging um die Frage, ob der Unfallgeschädigte auch dann einen Anspruch auf die volle Erstattung der ihm entstandenen Reparaturkosten hat, wenn die Reparaturrechnung überhöht ist oder tatsächlich nicht durchgeführte einzelne Reparaturschritte und -maßnahmen enthält.

2. Was ist das praktische Problem?

Leider kürzen Versicherungen täglich eingereichte Reparaturrechnungen von Werkstätten. Die Versicherer behaupten nach Erhalt der Reparaturrechnungen, dass bestimmte Positionen überhöht oder nicht unfallbedingt entstanden seien. Die Werkstätten können ein Lied darüber singen. Es stellt sich dann oft die Frage, ob der offene Betrag eingeklagt, und wenn ja, in wessen Namen die Klage erhoben werden soll. Zum einen kann der Unfallgeschädigte selbst klagen (wozu wir immer raten!). Zum anderen könnte die Werkstatt aus abgetretenem Recht Klage erheben. Das Problem daran ist, dass die Werkstatt sich nach der neuen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht mehr auf das sog. Werkstattrisiko berufen kann.

 3. Was sagt der Bundesgerichtshof zum sog. Werkstattrisiko?

Der Bundesgerichtshof hat dazu Folgendes sinngemäß ausgeführt:

Der Geschädigte eines Verkehrsunfalls ist berechtigt, sein unfallbeschädigtes Fahrzeug zur Reparatur in eine Werkstatt zu geben und vom Unfallverursacher den hierfür erforderlichen Geldbetrag zu verlangen (Reparaturkosten). Schon nach bisheriger Rechtsprechung liegt das Werkstattrisiko grundsätzlich beim Schädiger. Übergibt der Geschädigte das unfallbeschädigte Fahrzeug an eine Fachwerkstatt zur Instandsetzung, ohne dass ihn ein Auswahl- oder Überwachungsverschulden trifft, so sind die dadurch anfallenden Reparaturkosten im Verhältnis des Geschädigten zum Schädiger deshalb auch dann vollumfänglich ersatzfähig, wenn sie aufgrund unsachgemäßer oder unwirtschaftlicher Arbeitsweise der Werkstatt unangemessen, also nicht erforderlich im Sinne von § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB sind.

Das Werkstattrisiko greift daher nicht nur für solche Rechnungspositionen, die ohne Schuld des Geschädigten, etwa wegen unsachgemäßer oder unwirtschaftlicher Ansätze von Material oder Arbeitszeit, überhöht sind. Ersatzfähig im Verhältnis des Geschädigten zum Schädiger sind vielmehr auch diejenigen Rechnungspositionen, die sich auf – für den Geschädigten nicht erkennbar – tatsächlich nicht durchgeführte einzelne Reparaturschritte und -maßnahmen beziehen. Denn auch insofern findet die Schadensbeseitigung in einer fremden, vom Geschädigten nicht kontrollierbaren Einflusssphäre statt. Den Gerichten ist es in solchen Fällen sogar verwehrt, eine Beweisaufnahme über die objektive Erforderlichkeit der in Rechnung gestellten Reparaturkosten durchzuführen!

Die Anwendung der Grundsätze zum Werkstattrisiko setzt nicht voraus, dass der Geschädigte die Reparaturrechnung bereits bezahlt hat. Aus diesem Grund kann der Geschädigte, der sich auf das Werkstattrisiko beruft, aber die Rechnung der Werkstatt noch nicht oder nicht vollständig bezahlt hat, von dem Schädiger Zahlung des von der Werkstatt in Rechnung gestellten Betrages nur an die Werkstatt und nicht an sich selbst verlangen. Dies muss Zug um Zug gegen Abtretung etwaiger (das Werkstattrisiko betreffender) Ansprüche des Geschädigten gegen die Werkstatt erfolgen.

4. Achtung – keine Abtretung mehr!

Der Bundesgerichtshof hat aber auch entschieden (und das ist völlig neu), dass im Gegensatz zur bisherigen Rechtsprechung das Werkstattrisiko künftig die Werkstatt trifft, wenn diese sich vom Geschädigten dessen Schadenersatzanspruch abtreten lässt. In diesen Fällen muss die Werkstatt sich dann berechtigte Einwände des Schädigers und seiner Versicherung entgegenhalten lassen und ggf. ausräumen. Das wäre für die Werkstätten ein enormer Mehraufwand und würde zu einem hohen Kosten- und Prozessrisiko führen.

5. Fazit:

Wie diese Entscheidung des Bundesgerichtshofs zeigt, trägt die gegnerische Versicherung das sog. Werkstattrisiko. Als Unfallgeschädigter hat man auch dann einen Anspruch auf die vollständige Begleichung der Reparaturrechnung, selbst wenn die Rechnung überhöht oder inhaltlich falsch sein mag. In der Praxis sollte sich diese Entscheidung vor allem für die Werkstätten positiv auswirken, da der Bundesgerichtshof klare Argumente geliefert hat. Dies gilt aber nur dann, wenn der Unfallgeschädigte seinen Anspruch auf Erstattung der Werkstattkosten nicht an die Werkstatt abgetreten hat. Ab sofort sollten Werkstätten nur noch mit Zahlungsanweisungen und von einer Abtretung Abstand nehmen.

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