Das neue Kaufrecht

tritt ab dem 1. Januar 2022 in Kraft

Das neue Kaufrecht wird gravierende Änderungen zur Folge haben. Vor allem Händler müssen höhere Hürden überwinden und ihre Organisation sowie Vertragsdokumente ändern. Es wird nicht einfacher. Im Folgenden soll der Verbrauchsgüterkauf im Vordergrund stehen, vgl. §§ 474 ff BGB.

1. Das geltende Kaufvertragsrecht des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) beruht zu großen Teilen auf der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie. Die Verbrauchsgüterkaufrichtlinie wird durch die Warenkaufrichtlinie mit Wirkung zum 1. Januar 2022 ersetzt. Zweck der neuen Warenkaufrichtlinie ist es, zum ordnungsgemäßen Funktionieren des digitalen Binnenmarkts beizutragen und gleichzeitig für ein hohes Verbraucherschutzniveau zu sorgen, indem gemeinsame Vorschriften über bestimmte Anforderungen an Kaufverträge zwischen Verkäufern und Verbrauchern festgelegt werden.

Dazu gehören unter anderem eine Neudefinition des Begriffs der Sachmangelfreiheit, die Einführung einer Aktualisierungsverpflichtung für Sachen mit digitalen Elementen, die Einführung von Regelungen für den Kauf von Sachen mit dauerhafter Bereitstellung von digitalen Elementen und die Verlängerung der Beweislastumkehr im Hinblick auf Mängel auf ein Jahr.

2. Geltung des neuen Kaufrechts

Das neue Kaufrecht gilt nur für Kaufverträge, die ab dem 01.01.2022 geschlossen werden.

3. Sachmangel

Der Begriff des Sachmangels wird neu definiert.

a. Bis zum 31.12.2021 gilt: Was haben die Parteien vereinbart – es erfolgt also eine subjektive Betrachtung.

b. Ab dem 01.01.2021 gilt: Eine Kaufsache ist frei von Sachmängeln, wenn sie bei Gefahrenübergang den subjektiven Anforderungen, den objektiven Anforderungen und den Montageanforderungen aus den weiteren Regelungen in § 434 BGB-NEU entspricht.

In Zukunft ist daher bei einem Verbrauchsgüterkauf Folgendes Szenario möglich:

Der Händler vereinbart mit dem Kunden, dass das Fahrzeug einen Tuning-Chip besitzt, der in dieser Form nicht zugelassen oder eingetragen ist. Wenn man dies nicht den gesetzlichen Vorschriften entsprechend macht, dann läge ein Mangel vor, da der nicht zugelassene bzw. nicht eingetragene Tuning-Chip von den objektiven Anforderungen abweicht. Der Händler hat das Nachsehen.

Dieses Problem besteht in der Regel nur bei Verbrauchsgüterkaufverträgen, also Unternehmer verkauft an einen Verbraucher.

Für Kaufverträge zwischen zwei Unternehmern und Kaufverträge zwischen zwei Verbrauchern wird diese neue Definition keine Auswirkungen haben, weil die Parteien weiterhin frei sind, ausdrücklich oder konkludent eine Beschaffenheit der Kaufsache zu vereinbaren, die von den objektiven Anforderungen abweicht.

Zur Beschaffenheit einer Kaufsache gehört nach neuem Kaufrecht neben der Art, Qualität, Funktionalität, Kompatibilität, Interoperabilität und den sonstigen Merkmalen der Kaufsache ausdrücklich auch die Menge, so dass die Lieferung einer geringeren Menge als bestellt, nun auch ausdrücklich ein Sachmangel darstellt. Auch das Fehlen von vertraglich vereinbartem Zubehör oder vereinbarten Anleitungen führt zu einem Sachmangel. Zu den Anleitungen gehören insbesondere auch Montage- oder Installationsanleitungen.

4. Beschaffenheitsvereinbarung beim Verbrauchsgüterkauf

a. Bis zum 31.12.2021 gilt: Die Parteien können die Beschaffenheit miteinander frei vereinbaren (soweit es nicht gegen ein gesetzliches Verbot verstößt).

b. Ab dem 01.01.2022 gilt: Die Parteien können die Beschaffenheit nicht mehr ohne Weiteres wirksam vereinbaren. Nach dem neuen Kaufrecht muss der Unternehmer (Verkäufer) bestimmte Informations- und Formvorschriften erfüllen. Tut er dies nicht, geht dies zu seinen Lasten, so dass er bei Sachmängeln haften muss.

5. Beweislastumkehr beim Verbrauchsgüterkauf 

a. Bis zum 31.12.2021 gilt: Die Beweislastumkehr beträgt 6 Monate (ab Gefahrenübergang, also ab Übergabe der Sache). Anknüpfungspunkt ist das Auftreten eines Mangels im Sinne von § 434 BGB.

b. Ab dem 01.01.2022 gilt: Die Beweislastumkehr beträgt 1 Jahr (ab Gefahrenübergang, also ab Übergabe der Sache). Neu ist auch, dass das Auftreten einer “Mangelerscheinung” genügt. Vor allem diese Gesetzesänderung wird viele Gewährleistungsfälle zur Folge haben, für die grundsätzlich der Händler haftet.

6. Verjährung beim Verbrauchsgüterkauf

a. bei neuen Sachen

Bis zum 31.12.2021 gilt: Die Verjährungsfrist im Kaufrecht für Gewährleistungsansprüche beträgt zwei Jahre (§ 438 BGB). Eine wirksame Verkürzung der Verjährungsfrist ist nicht wirksam möglich.

Ab dem 01.01.2022 gilt: Keine Änderungen, weiterhin zwei Jahre.

b. bei gebrauchten Sachen

Bis zum 31.12.2021 gilt: Die Verjährung kann im Kaufrecht für Gewährleistungsansprüche auf ein Jahr verkürzt werden. Dies hat der Bundesgerichtshofs mit Urteil vom 18.11.2020 bestätigt. Hier geht es zu einem entsprechenden Artikel, >>bitte hier klicken<<.

Ab dem 01.01.2022 gilt: Der Händler kann die Verjährungsfrist nicht ohne Weiteres wirksam auf ein Jahr verkürzen. Nach dem neuen Kaufrecht muss der Unternehmer (Verkäufer) bestimmte Informations- und Formvorschriften erfüllen. Tut er dies nicht, geht dies zu seinen Lasten, so dass die Verjährungsfrist weiterhin zwei Jahre beträgt.

Achtung: Abmahnfalle. Die Verkürzung der Verjährungsfrist auf ein Jahr kann nicht mehr wirksam im Rahmen von Allgemeinen Geschäftsbedingungen vereinbart werden. Wer es trotzdem versucht/macht, kann von entsprechenden Verbänden und/oder Mitbewerbern kostenpflichtig abgemahnt werden.

c. Im neuen Gesetz gibt es eine weitere Besonderheit, nämlich § 475e BGB-NEU. Danach kann sich die Verjährungsfrist theoretisch entweder auf bis zu 14 Monate oder auf bis zu 26 Monate verlängern. Grund dafür sind die folgenden Absätze. In der neuen Vorschrift (§ 475e Absatz 3 BGB) steht:

„Hat sich ein Mangel innerhalb der Verjährungsfrist gezeigt, so tritt die Verjährung nicht vor dem Ablauf von zwei Monaten nach dem Zeitpunkt ein, in dem sich der Mangel erstmals gezeigt hat.“

Durch die Bestimmung einer Ablaufhemmung werden die unionsrechtlichen Vorgaben mit einer geringstmöglichen Änderung des bisherigen innerstaatlichen Rechts umgesetzt.

Im Absatz 4 der Vorschrift heißt es weiter:

(4) Hat der Verbraucher zur Nacherfüllung oder zur Erfüllung von Ansprüchen aus einer Garantie die Sache dem Unternehmer oder auf Veranlassung des Unternehmers einem Dritten übergeben, so tritt die Verjährung von Ansprüchen wegen des geltend gemachten Mangels nicht vor dem Ablauf von zwei Monaten nach dem Zeitpunkt ein, in dem die nachgebesserte oder ersetzte Sache dem Verbraucher übergeben wurde.“

Der Gesetzgeber hat hier eine sogenannte Ablaufhemmung geregelt. Mit Hilfe dieser Ablaufhemmung soll sichergestellt werden, dass der Verbraucher die Kaufsache nach Rückerhalt prüfen und ermitteln kann, ob durch die Nacherfüllung dem geltend gemachten Anspruch abgeholfen wurde.

7. Sachen mit digitalen Elementen

a. Bis zum 31.12.2021 gilt: Dafür gab es bisher keine gesonderte Vorschrift.

b. Ab dem 01.01.2022 gilt: Der Gesetzgeber hat neue Vorschriften in das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) eingeführt, nämlich §§ 475 b ff BGB. Der Gesetzgeber möchte mit dieser Einführung von Sachen mit digitalen Elementen dem Stand der Technik und dem modernen Markt gerecht werden. Zweck der neuen Regelung ist es, zum ordnungsgemäßen Funktionieren des digitalen Binnenmarkts beizutragen und gleichzeitig für ein hohes Verbraucherschutzniveau zu sorgen, indem gemeinsame Vorschriften über bestimmte Anforderungen an Kaufverträge zwischen Verkäufern und Verbrauchern festgelegt werden.

Was ist unter „digitalen Elementen“ zu verstehen?

“Eine Sache mit digitalen Elementen ist eine Sache, die in einer solchen Weise digitale Inhalte oder digitale Dienstleistungen enthält oder mit ihnen verbunden ist, dass sie ihre Funktionen ohne diese digitalen Inhalte oder digitalen Dienstleistungen nicht erfüllen kann.”

Beispiel: Smartwatch samt App für das Smartphone oder auch ein Smart-TV.

Wer als Händler ein Fahrzeug mit einem Navigationsgerät an einen Verbraucher verkauft, muss die neuen Vorschriften kennen bzw. beachten. Ein Fahrzeug mit einem modernen Navigationsgerät ist als eine Sache mit digitalen Elementen im Sinne des neuen Gesetzes anzusehen. Wenn digitale Elemente vorhanden sind, dann hat man als Händler also die Pflicht zur Bereitstellung, eine Informationspflicht (Update usw.) und eine Pflicht zur Aktualisierung (Updates) – für den Erhalt der Vertragsmäßigkeit. Verletzt man eine dieser Pflichten liegt ein Sachmangel vor, wofür man als Händler haftet.

Besonderheit bei der Verjährung:

Im Fall der dauerhaften Bereitstellung digitaler Elemente, verjähren Ansprüche wegen eines Mangels an den digitalen Elementen nicht vor dem Ablauf von zwölf Monaten nach dem Ende des Bereitstellungszeitraums. Wenn eine Aktualisierungspflicht besteht, so verjähren (allerdings auch nur) Ansprüche wegen der Verletzung der Aktualisierungspflichten erst mit dem Ablauf des Aktualisierungszeitraums.

Achtung: Hier droht eine Abmahnfalle. Der Ausschluss der Aktualisierungsverpflichtung für Sachen mit digitalen Elementen kann in Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht (wirksam) ausgeschlossen werden. Wer es trotzdem versucht/macht, kann von entsprechenden Verbänden und/oder Mitbewerbern kostenpflichtig abgemahnt werden.

8. Nacherfüllung

a. Allgemein

Bis zum 31.12.2021 gilt: Der Händler hat ein Recht auf Nacherfüllung. Fristsetzung ist grundsätzlich erforderlich. Ort der Nacherfüllung war umstritten (H.M. grundsätzlich beim Händler). Art und Weise der Aufforderung zur Nacherfüllung war umstritten. Eine Nacherfüllung galt in der Regel erst nach dem zweiten gescheiterten Versuch als “fehlgeschlagen” im Sinne des Gesetzes.

Ab dem 01.01.2022 gilt: Der Händler hat ein Recht auf Nacherfüllung. Der Käufer hat dem Verkäufer die Sache zum Zweck der Nacherfüllung zur Verfügung zu stellen (gesetzlich geregelt). Der Verkäufer ist ausdrücklich dazu verpflichtet, die im Rahmen der Nacherfüllung ersetzte Kaufsache auf seine Kosten zurückzunehmen.

b. beim Verbrauchsgüterkauf gilt zusätzlich(!):

(1) Beim Verbrauchsgüterkauf kann von der Pflicht zur Nacherfüllung des Händlers nicht zum Nachteil des Verbrauchers abgewichen werden.

(2) Der Käufer hat selbst dann einen Anspruch auf Nacherfüllung, wenn er den Mangel bei Abschluss des Kaufvertrages kannte!!!

Beispiel: Ein Käufer erkennt bei der Probefahrt, dass die Reifen abgefahren sind und der Motor defekt ist. Er schließt mit dem Händler den Kaufvertrag, ohne dass der Händler bestimmte Informationspflichten und Formvorschriften vollständig berücksichtigt. Der Käufer kann nach Abschluss des Kaufvertrages vom Händler die Beseitigung der Sachmängel (abgefahrene Reifen und defekter Motor) verlangen.

(3) Die Nacherfüllung muss innerhalb einer angemessenen Frist erfolgen, ab dem Zeitpunkt der Aufforderung zur Nacherfüllung durch den Verbraucher, ohne erhebliche Unannehmlichkeiten für den Verbraucher, wobei die Art der Ware sowie der Zweck, für den der Verbraucher die Ware benötigt, zu berücksichtigen sind.

(4) Eine Fristsetzung ist nicht mehr erforderlich.

(5) Die Nacherfüllung gilt bereits nach dem 1. erfolglosen Versuch als fehlgeschlagen.

(6) Der Händler ist verpflichtet, dem Verbraucher den Kaufpreis zu erstatten, sobald der Verbraucher dem Händler die Rücksendung der Kaufsache nachweist. Sobald also der Verbraucher dem Händler etwa eine Kopie des Einsendebelegs zuschickt, muss der Händler den bereits gezahlten Kaufpreis an den Verbraucher zurückzahlen.

9. Garantieerklärung im Rahmen vom Verbrauchsgüterkauf 

Eine Garantieerklärung muss nach § 479 BGB demnach künftig nicht nur einfach und verständlich abgefasst sein, sondern auch ganz bestimmte Pflichtinhalte enthalten. Darüber hinaus schreibt das neue Kaufrecht vor, dass die Garantieerklärung dem Verbraucher spätestens zum Zeitpunkt der Lieferung der Kaufsache auf einem dauerhaften Datenträger, wie etwa in Papierform oder per E-Mail, zur Verfügung gestellt werden muss. Auch hier droht eine Abmahnfalle.

10. Fazit

Wie man den zahl- und umfangreichen Gesetzesänderungen entnehmen kann, wird der Verbraucherschutz noch größer. Umgekehrt wird es für den Händler schwerer. Der Händler wird ab dem kommenden Jahr dazu verpflichtet, seine Vertragsformulare zu erweitern bzw. zu erneuern. Darüber hinaus muss er einen neuen Ablauf organisieren. Hinzu kommt, dass die Händler sich darüber im Klaren sein müssen, dass sie zukünftig eine vorvertragliche Informationspflicht trifft und diese zu dokumentieren ist. Im Nachgang müssen bestimmte Vereinbarung zur Beschaffenheit (wenn sie den von den objektiven Merkmalen abweicht) oder zur Verjährung im Kaufvertrag ausdrücklich und gesondert vereinbart werden müssen. Tut man dies nicht, sind die entsprechenden Vereinbarungen unwirksam und es gilt das Gesetz. Dann wird die volle Härte des Gesetzes zuschlagen.

Der Einwand „Das war schon immer so“, ist ab dem 1.1.2022 eine sehr schlechte Idee!

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