Altschaden und Vorteilsausgleich

Es kommt auf den Einzelfall an!

Altschaden und Vorteilsausgleich, was hat es damit auf sich?

Wer schon mal einen Verkehrsunfall hatte weiß, dass Ärger bei der Regulierung des Unfallschadens mit der gegnerischen Haftpflichtversicherung vorprogrammiert ist. Es ist mittlerweile bekannt, dass die Haftpflichtversicherungen mit allen Mitteln versuchen, berechtigte Ansprüche des Unfallgeschädigten, unberechtigt zu kürzen. So kann man auch Geld verdienen. Das hat auch der Bundesgerichtshof erkannt und in einem aktuellen Urteil festgestellt, dass es keinen einfachen Unfall (mehr) gibt und man als Unfallgeschädigter immer einen Rechtsanwalt beauftragen kann (und sollte). Diesen Artikel kann man >>hier nachlesen<<.

Das Streben der Versicherungen nach dem höchstmöglichen Gewinn, führt oft dazu, dass alle möglichen Schadenspositionen unberechtigt gekürzt werden, auch die Sachverständigenkosten. Ein Artikel dazu kann man >>hier nachlesen<<.

Ein sehr beliebtes Kürzungsmittel war/ist der sog. Vorschaden. Hier hatte die Versicherungswirtschaft einen großen Anteil daran, dass sehr viele Unfallgeschädigte, aufgrund eines Vorschadens, überhaupt kein Geld bekommen haben. Leider haben in diesem Fall so gut wie alle Gerichte an einem Strang gezogen, weil man sich auch bei Gericht damit eine Menge Arbeit ersparen konnte. Eine Klage ohne Beweisaufnahme abweisen zu können, ist für jeden Richter eine große Zeitersparnis. Naturgemäß arbeitet kein Mensch mehr als er muss. Die langjährige Praxis der Deutschen Gerichte im Zusammenhang mit dem Vorschaden hat die Haftpflichtversicherungen erfreut und Millionengewinne beschert.

Glücklicherweise hat der Bundesgerichtshof ein Machtwort gesprochen und allen Gerichten damit auf dem Weg gegeben, dass man auch als Gericht beim Vorschaden differenzieren und gegebenenfalls eine Beweisaufnahme durchführen muss. Unseren Artikel zu diesem Thema >kann man hier nachlesen.<

Nun gibt es ein weiteres erfreuliches Urteil des Landgerichts Münster zu diesem Thema:

Ein Fahrzeug wurde in einen Unfall verwickelt. Vor dem Unfall hatte das Fahrzeug -aufgrund von typischen Gebrauchsspuren- Kratzer an der Stoßstange. Die Haftung der gegnerischen Haftpflichtversicherung war dem Grund nach unstreitig. Die haftende Haftpflichtversicherung vertrat jedoch die Auffassung, dass der Unfallgeschädigte sich einen Abzug “Neu-für-alt” gefallen lassen muss. Das Landgericht Münster sah die Rechtslage jedoch anders und verurteilte die Haftpflichtversicherung antragsgemäß.

In dem Urteil nahm das Gericht auch zum Thema Abzug Neu-für-alt Stellung. Wörtlich heißt es in dem Urteil:

“Eine Vorteilsanrechnung in Form des Abzugs neu für alt setzt voraus, dass es durch die Schadensbeseitigung zu einer messbaren Vermögensmehrung bei dem Geschädigten gekommen ist, sich diese Werterhöhung für den Geschädigten wirtschaftlich günstig auswirkt und die Anrechnung dem Geschädigten zumutbar ist. Dabei muss berücksichtigt werden, dass der Vorteil dem Geschädigten aufgedrängt wird. Daraus ergeben sich für ihn Milderungen (vgl. Oberlandesgericht Köln, Beschluss vom 01.08.2014, Az. 11 U 23/14).”

Das Gericht sah die notwendigen Voraussetzungen als nicht gegeben an und verneinte daher eine Vorteilsanrechnung bzw. einen Abzug Neu-für-alt, mit den folgenden Argumenten:

“Vorliegend fehlt es bereits an einer messbaren Vermögensmehrung durch die Erneuerung der vorderen Stoßstange, da es sich bei dieser um ein solches Teil des beschädigten Fahrzeugs handelt, das im allgemeinen die Lebensdauer des Kfz erreicht, sie die Lebensdauer des Fahrzeugs insgesamt nicht erhöht und keiner regelmäßigen Erneuerung bedarf.”

Auch dem Argument der Haftpflichtversicherung, der Geschädigte müsse sich unter dem Aspekt der Wertverbesserung einen Abzug gefallen lassen, erteilte das Landgericht Münster eine Absage mit den folgenden Argumenten (wörtlich heißt es):

“Auch die Voraussetzungen für eine Vorteilsanrechnung aufgrund wiederherstellungsbedingter Wertverbesserung liegen nicht vor. Eine solche ist dann angezeigt, wenn sich die Wiederherstellung für den Geschädigten wirtschaftlich günstig auswirkt, die beschädigte Sache insbesondere an Wert gewinnt. Dass sich der Austausch der Stoßfängerkleidung günstig im Vermögen der Klägerin niederschlägt bzw. der Wert des Fahrzeugs durch die Reparatur steigt, ist weder konkret vorgetragen, noch -insbesondere im Hinblick auf das Alter und die Laufleistung des Unfallfahrzeugs sowie die fehlende Betroffenheit eines Verschleißteils- ersichtlich.”

Das Urteil des Landgerichts Münster ist erfreulich und juristisch einwandfrei begründet. Jeder Sachverständige sollte diese Argumente kennen und entsprechend bei seiner Tätigkeit berücksichtigen. Man sollte jedoch beachten, dass es auf den Einzelfall ankommt und das jeweilige Schadensbild sowie die Gesamtumstände beim Altschaden und Vorteilsausgleich entscheidend sind.