E-Scooter Unfall

Wer haftet?

E-Scooter gehören mittlerweile zum alltäglichen Bild, Unfälle mit E-Scootern leider auch. Die Zahl der E-Scooter ist in letzter Zeit rasant gestiegen, vor allen in Großstädten wie Berlin. Unfälle mit E-Scootern werden seit dem 1. Januar 2020 von der Polizei, für die der Statistik der Straßenverkehrsunfälle, separat erfasst.

Das statistische Bundesamt hat zu Unfällen mit E-Scootern in diesem Jahr erstmals Zahlen veröffentlicht. Danach wurden von Januar 2020 bis März 2020 von der Polizei in Deutschland insgesamt 251 Unfälle mit E-Scootern (juristisch bezeichnet als Elektrokleinstfahrzeugen) registriert, bei denen Personenschäden entstanden ist. Die Dunkelzahl dürfte weitaus höher liegen. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) weiter mitteilt, wurde ein E-Scooter-Nutzer bei einem Unfall sogar getötet. Bei weiteren Unfällen wurden 39 Personen schwer weitere 182 leicht verletzt.

Im gleichen Zeitraum hat die Polizei deutschlandweit mehr als 12.700 Unfälle mit Fahrrädern registriert, bei denen ein Radfahrer verletzt wurde.  Aktuell sind die Zahlen im Zusammenhang mit E-Scooter Unfällen noch relativ gering. Das dürfte sich in der Zukunft aber ändern.

E-Scooter sind erst seit Inkrafttreten der Verordnung für Elektrokleinstfahrzeuge am 15. Juni 2019 zum Straßenverkehr in Deutschland zugelassen. Fahrer eines E-Scooters müssen, soweit vorhanden, Fahrradwege oder Schutzstreifen nutzen. Ansonsten sollen sie auf Fahrbahnen oder Seitenstreifen ausweichen, die Nutzung des Gehwegs ist verboten. Einen Führerschein braucht man nicht. Man muss jedoch mindestens 14 Jahre alt sein.

Was gilt bei einem Unfall mit einem E-Scooter?

1. Wenn der Nutzer eines gemieteten E-Scooters einen Schaden am E-Scooter selbst verursacht, haftet er gegenüber dem Anbieter aus dem Vertrag. Wenn es keine Regelungen dazu im Vertrag gibt (sehr unwahrscheinlich), dann gilt das Gesetzt, also das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB).

2. Wenn der Nutzer eines E-Scooters einen Schaden an einem anderen Fahrzeug verursacht, dann gelten andere Haftungsregeln, als bei einem Unfall mit einem Auto (Kraftfahrzeug). Das kann unter Umständen zu völlig anderen juristischen Ergebnissen führen. Man muss wissen, dass ein E-Scooter grundsätzlich ein Kraftfahrzeug im gesetzlichen Sinne ist, aber wegen seiner Bauart nach § 8 Nr. 1 Straßenverkehrsgesetz (StVG) gibt es bei einem Unfall mit einem E-Scooter keine Halterhaftung (§ 7 StVG) und keine Haftung des Fahrers (18 StVG).

Haftet der Fahrer eines Nutzers überhaupt nicht?

Doch, auch der Fahrer eines E-Scooters haftet für den von ihm schuldhaft verursachten Schaden, jedoch nach anderen Grundsätzen (als bei einem klassischen Unfall mit einem Auto). Der Fahrer eines E-Scooters haftet “nur” nach der Verschuldenshaftung des § 823 Absatz 1 BGB. Seine Schuld muss somit vom Unfallgegner bewiesen werden. Ist der Sachverhalt nicht aufklärbar, haftet der Fahrer des E-Scooters nicht. Das ist ein wichtiger und elementarer Unterschied zur Haftung bei einem Unfall mit einem Auto. Ein aktuelles Urteil des Landgerichts Münster zeigt den rechtlichen Unterschied deutlich auf.

Was ist passiert?

Die Klägerin macht Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall geltend. Sie befuhr mit ihrem Pkw eine zweispurige Straße, in deren Mitte sich ein Grünstreifen befindet. In ihrem Fahrzeug befanden sich die Zeuginnen B1 und B2. Im Bereich der Unfallstelle führt eine Fußgängerampel über die Straße. In der Mitte befindet sich eine Querungshilfe. Die Klägerin fuhr mit einer Geschwindigkeit von 50 km/h auf der linken der beiden Fahrspuren. Der Beklagte überquerte mit einem E-Scooter die Straße im Bereich der Ampel und nutzte dabei die Querungshilfe. Es ist zwischen den Parteien streitig, ob die Lichtzeichenanlage für den Beklagten grün zeigte. Bei dem E-Scooter handelte es sich um ein Elektrokleinstfahrzeug nach der Elektrokleinstfahrzeuge-Verordnung (eKFV), das bauartbedingt nicht schneller als 20 km/h fährt. Als der Beklagte die Querungshilfe passiert hatte, kam es zur Kollision mit dem klägerischen Pkw, der beschädigt wurde.

Vor dem Landgericht Münster war nicht aufklärbar, ob der die Lichtzeichenanlage für den Fahrer des E-Scooters beim Überqueren im Bereich der Ampel grün zeigte.

Urteil des Landgerichts Münster!

Das Landgericht Münster wies die Klage -nach einer Beweisaufnahme- ab. Zunächst stellt das Landgericht Münster fest, dass der Fahrer des E-Scooters nicht verschärft nach den §§ 7 und 18 StVG haftet. Im Urteil heißt es wörtlich:

“Nach § 8 Nr. 1 StVG sei die in § 7 StVG normierte verschuldensunabhängige Gefährdungshaftung dann ausgeschlossen, wenn der Unfall durch ein Kraftfahrzeug verursacht wurde, das auf ebener Bahn mit keiner höheren Geschwindigkeit als 20 km/h fahren könne. Um ein solches Fahrzeug habe es sich unstreitig bei dem vom Beklagten gefahrenen Fahrzeug gehandelt. Der an dem Unfall beteiligte E-Scooter habe über eine Zulassung nach der Elektrokleinstfahrzeuge- Verordnung (eKFV) verfügt. Die Klägerin habe somit auch keinen Anspruch gemäß § 18 Abs. 1 StVG gegen den Beklagten als Fahrer. “

Im Anschluss kommt das Gericht zu dem Ergebnis, dass die Klägerin den erforderlichen Beweis nicht führen konnte. Im Urteil heißt es wörtlich:

“Der Klägerin stehe auch kein Schadensersatzanspruch gemäß § 823 Abs. 1 BGB zu. Voraussetzung dafür sei, dass das Unfallereignis zumindest teilweise auf ein mindestens fahrlässiges Verhalten des Beklagten zurückzuführen wäre. Der Beklagte hätte also die ihn in der konkreten Situation treffenden Sorgfaltspflichten verletzt haben müssen. Den ihr hierfür obliegenden Beweis (vgl. zur Beweislast BGH, Urt. v. 24.09.2013 – VI ZR 255/12) habe die Klägerin nicht erbracht. Die Behauptung der Klägerin, der Beklagte sei plötzlich vollkommen unvermittelt und in unberechtigter Weise sowie ohne auf den fließenden Verkehr zu achten auf die Straße gefahren, habe nach Durchführung der Beweisaufnahme nicht bestätigt werden können.”

Die Klägerin blieb somit auf ihrem Schaden sitzen. Bei “normalen” Autounfällen geht das Gericht bei einer Unaufklärbarkeit des Unfallgeschehens regelmäßig von einer hälftigen Haftung der Unfallparteien aus. Bei einem Unfall mit einem E-Scooter gelten jedoch andere Regeln. Das sollte man als Autofahrer wissen.

Fazit

Grundsätzlich haftet der Fahrer eines E-Scooters und die Haftpflichtversicherung (sofern eine existiert). Bitte beachten Sie jedoch, dass bei einem Unfall mit einem E-Scooter andere Haftungsregeln gelten und man vor Gericht die schuldhafte Pflichtverletzung des Unfallgegners beweisen muss. Ansonsten besteht die Gefahr, dass man auf seinem Schaden sitzen bleibt. Einfach ausgedrückt, die Schuld des E-Scooter Fahrers muss feststehen oder vor Gericht bewiesen werden!

 

Sollte Ihnen ein Schaden durch einen umgefallenen E-Scooter entstehen, haben Sie in der Regel keinen Anspruch auf Schadenersatz gegen die gegnerische Haftpflichtversicherung!

Für Kfz-Sachverständige wichtig

Alle Kfz-Sachverständige müssen diese Umstände bzw. die oben genannte Rechtsprechung kennen und sollten bei der Annahme von Aufträgen –bei einem Unfall mit einem E-Scooter als Unfallgegner– den Kunden entsprechend sensibilisieren. Im eigenen Interesse und im Interesse des Kunden, sollte der Kfz-Sachverständige -vor Annahme des Auftrags- Rücksprache mit einem Fachanwalt für Verkehrsrecht halten. Ansonsten besteht die Gefahr, dass der Auftraggeber (Autofahrer) später leer ausgeht und er auf den Kosten des Sachverständigen sitzen bleibt. Das führt zu Frust bei Unfallgeschädigten und wohl möglich zu einer negativen Bewertung des Kfz-Sachverständigen. Das gilt es zu vermeiden.