Verweisung auf eine günstigere Werkstatt-

welcher Zeitpunkt ist entscheidend?

Rechtlicher Hintergrund

Nach einem Unfall hat man als Unfallgeschädigter die Möglichkeit, den Schaden fiktiv oder konkret abzurechnen. Entweder man lässt sich die von einem Gutachter kalkulierten Reparaturkosten in Höhe des Nettobetrages auszahlen (fiktive Abrechnung) oder man verlangt die tatsächlich entstandenen Reparaturkosten (konkrete Abrechnung). Leider ist es in Deutschland mittlerweile an der Tagesordnung, dass die Haftpflichtversicherungen (des Unfallgegners) versuchen, mit allen Mitteln die Schadenersatzansprüche des Unfallgeschädigten zu kürzen. >Das kann man auch hier nachlesen.<

Vor allem wenn ein Unfallgeschädigter fiktiv abrechnen möchte, schlagen die Haftpflichtversicherungen gerne zu. Ein beliebtes Angriffsziel sind dann unter anderem die Stundenverrechnungssätze bzw. die kalkulierten Reparaturkosten. Dabei wird oft zu allen Mitteln gegriffen. Mehr dazu können Sie auch >hier nachlesen<.

Grund dafür ist, dass die Haftpflichtversicherungen bei der fiktiven Abrechnung mehr Angriffsfläche haben. Die Haftpflichtversicherungen verweisen dann oft auf günstigere Werkstätten. Dabei wird behauptet, dass die sogenannte Referenzwerkstatt den gleichen Qualitätsstandard einer markengebundenen Fachwerkstatt erbringen kann, nur zu günstigeren Konditionen. Der Bundesgerichtshof hat bereits mehrfach bestätigt, dass dies rechtlich zulässig und möglich ist, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind. In diesem Fall “muss” der Unfallgeschädigte die Kürzung über sich ergehen lassen, ohne dass das vorher von seinem beauftragten Sachverständigen erstellte Gutachten falsch ist. Über die Einzelheiten und über die Verweisungen der Haftpflichtversicherungen wird vor Gericht oft gestritten.

Aktuelle Entscheidung des Bundesgerichtshofs

In einem aktuellen Fall ging es um die Frage, auf welchen Zeitpunkt abzustellen ist, wenn die Werkstatt -auf die die gegnerische Haftpflichtversicherung verwiesen hat- zwischenzeitlich eine Preiserhöhung hatte. Die beklagte Haftpflichtversicherung vertrat die Rechtsauffassung, dass es auf den Zeitpunkt der Verweisung ankommen würde und es unerheblich ist, wann der Geschädigte sein Fahrzeug tatsächlich repariert. Der Unfallgeschädigte vertrat dagegen die Auffassung, dass es im Falle einer Klage (wegen der erfolgten Kürzung) auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ankommen würde.

Die Haftung der beklagten Haftpflichtversicherung war dem Grunde nach unstreitig. Die beklagte Haftpflichtversicherung übersandte einen Prüfbericht, kürzte den begehrten Betrag (auch die UPE-Aufschläge und die Verbringungskosten) und verwies auf einen angeblich günstigeren Reparaturbetrieb in der Region. Der Unfallgeschädigte klagte gegen die Kürzung (aufgrund der Verweisung auf eine günstigere Werkstatt). Während des Rechtsstreits gab es bei der Werkstatt -auf die verwiesen wurde- eine Preiserhöhung. Was nun?

Tenor des Bundesgerichtshofs

Bei der fiktiven Schadensberechnung ist für die Bemessung des Schadensersatzanspruchs materiell-rechtlich der Zeitpunkt der vollständigen Erfüllung, verfahrensrechtlich regelmäßig der Zeitpunkt der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung maßgeblich. Vorher eintretende Preissteigerungen für die günstigere Reparaturmöglichkeit in einer freien Fachwerkstatt, auf die der Schädiger den Geschädigten gemäß § 254 Abs. 2 BGB verweisen darf, gehen daher in der Regel zu Lasten des Schädigers.

Weiter stellt der Bundesgerichtshof fest:

Diese Grundsätze dienen in erster Linie dem Schutz des Gläubigers gegen eine verzögerte Ersatzleistung des Schuldners. Zusätzliche Schäden und eine Verteuerung der Wiederherstellungskosten vor vollständiger Erfüllung, etwa durch Preissteigerungen, gehen deshalb in der Regel zu dessen Lasten.

Somit betont der Bundesgerichtshof nochmals, dass der Unfallgeschädigte entscheiden kann, ob und wann er sein Fahrzeug tatsächlich reparieren lässt. Eine Haftpflichtversicherung kann dem Unfallgeschädigten eben nicht vorschreiben, ob und wann er sein unfallbeschädigtes Fahrzeug reparieren soll.

Tipp für Kfz-Sachverständige

Sie sollten immer (egal wie alt das Fahrzeug ist und/oder ob ein Scheckheft vorliegt) mit den Stundenverrechnungssätzen einer markengebundenen Fachwerkstatt kalkulieren, es sei denn, der Geschädigte lässt bei einer bestimmten Werkstatt reparieren. In solch einem Fall sollten Sie die Stundenverrechnungssätze dieser konkreten Werkstatt nehmen. Die regelmäßigen Einwände, die Versicherung wird doch eh kürzen, sind rechtlich unerheblich und tatsächlich nicht zutreffend. Wir erzielen regelmäßig Erfolge bei Gericht, nach Kürzung und Verweis auf eine angeblich günstigere Werkstatt, weil die Verweisungen der Haftpflichtversicherungen oft unwirksam sind. Die Wahrheit ist nämlich, dass viele Kürzungen unwirksam sind, weil gelogen wird und/oder bestimmte Voraussetzungen eben nicht vorliegen. Hinterher ist man immer schlauer. Wer aber als Kfz-Sachverständiger von Anfang an zu Gunsten der gegnerischen Haftpflichtversicherung (günstiger) kalkuliert, macht sich zum verlängerten Arm der Versicherungen und unter Umständen schadenersatzpflichtig.