Abrechnung auf Neuwagenbasis

Urteil des Bundesgerichtshofs

Die Abrechnung auf Neuwagenbasis kann in Betracht kommen, wenn ein neues Fahrzeug durch einen Unfall erheblich beschädigt wird. In diesem Fall kann der Unfallgeschädigte vom Unfallgegner den Neupreis des Fahrzeugs als Schadenersatz verlangen. Um diesen Anspruch geltend machen zu können, müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein. In diesem Zusammenhang stellt sich unter anderem die Frage, wann eine erhebliche Beschädigung vorliegt , wann ein Fahrzeug als neu gilt und, ob der Geschädigte sich ein neues Fahrzeug anschaffen muss. Dazu gibt es nun ein aktuelles Urteil des Bundesgerichtshofs.

Neu – Abrechnung auf Neuwagenbasis

In diesem Zusammenhang gilt ein Fahrzeug als neu, wenn es nicht älter als ein Monat ist und nicht mehr als 1.000 Kilometer zurückgelegt hat. Diese Grenzen sind aber nicht starr. Es gibt diverse Urteile aus denen hervorgeht, dass eine geringfügige Überschreitung des Fahrzeugalters und/oder der Kilometerleistung zulässig ist.

erheblich Beschädigung – Abrechnung auf Neuwagenbasis

Eine Erheblichkeit lässt sich nicht pauschal in Zahlen ausdrücken. Als Faustregel gilt, dass entweder eine umfassende Beschädigung am Fahrzeug vorliegt. Zum einen kann dies der Fall sein, wenn die Reparaturkosten eine bestimmte Höhe im Verhältnis zum Wiederbeschaffungswert erreicht haben. Zum anderen kann dies der Fall sein, wenn entweder sicherheitsrelevante Teile beschädigt sind oder der Rahmen des Fahrzeugs betroffen ist. 

Der Bundesgerichtshof hatte bereits mit Urteil vom 04.03.1976 eine erhebliche Beschädigung bejaht, obwohl die Reparaturkosten und der merkantile Minderwert nur 11% vom Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs ausmachten (es ging um einen Schaden von “nur” 1.700,- DM!). Bei dem damaligen Unfall  wurden der vordere rechte Kotflügel, das vordere rechte Radhaus und das Frontblech eingedrückt, das Frontziergitter verbeult, die rechte Stoßstangenhälfte mit Stoßstangenhalter verzogen, der rechte H-4-Scheinwerfer und der Fahrtrichtungsanzeiger zerstört, sowie die Motorhaube rechts geringfügig verformt. Der Bundesgerichtshof hat hier auf die Zumutbarkeit abgestellt. Dazu hat der Bundesgerichtshof wörtlich festgestellt:

“Es ist aber nicht das Gleiche, ob der Kläger einen völlig neuwertigen Wagen hat oder einen instandgesetzten und zusätzlich einen ausgleichenden Geldbetrag. Ob er sich ausnahmsweise mit einem zwar rechnerisch gleichwertigen, aber anders gestalteten Vermögensausgleich begnügen muß, ist entsprechend der Vorschrift des § 251 Abs. 2 sowie nach dem allgemeinen Grundsatz von § 242 BGB zu entscheiden. Daher ist maßgebend, ob es ihm in seiner Lage zuzumuten ist, sich mit einer Reparatur und der Zuzahlung eines Geldbetrages für den verbliebenen Minderwert zu begnügen.”

Ob eine erhebliche Beschädigung abhängt, hängt also -auch unter Berücksichtigung- der Zumutbarkeit vom Einzelfall ab.

Muss ein neues Fahrzeug angeschafft werden?

Viele Gerichte in Deutschland vertreten die Rechtsauffassung, dass bei der Abrechnung auf Neuwagenbasis kein Neufahrzeug tatsächlich angeschafft werden muss. Mit anderen Worten, der Unfallgeschädigte kann hier auch fiktiv abrechnen. Eine fiktive Abrechnung ist nach einem Unfall grundsätzlich zulässig, so auch das Oberlandesgericht Frankfurt am Main.

Urteil des Bundesgerichtshofs

Der Bundesgerichtshof hat in einem aktuellen Urteil aber erneut festgestellt, dass die Abrechnung auf Neuwagenbasis nur dann in Betracht kommt, wenn der Unfallgeschädigte ein neues Fahrzeugs tatsächlich anschafft. Der Bundesgerichtshof bestätigt damit sein Urteil vom 09.06.2009. Für dieses Urteil wurde der Bundesgerichtshof damals stark kritisiert. Trotzdem hat er seine Rechtsauffassung mit Urteil vom 29.09.2020 erneut bekräftigt. Dazu stellt der Bundesgerichtshof in seinem Urteil unter anderem fest:

“In zutreffender Anwendung der Senatsrechtsprechung geht das Berufungsgericht davon aus, dass der Eigentümer eines fabrikneuen Fahrzeugs mit einer Laufleistung von nicht mehr als 1.000 km im Falle dessen – hier mangels Feststellungen des Berufungsgerichts zugunsten der Revision zu unterstellender – erheblicher Beschädigung (nur dann) berechtigt ist, Ersatz der Kosten für die Beschaffung eines Neufahrzeugs zu verlangen, wenn er ein gleichwertiges Ersatzfahrzeug erworben hat.

Fazit

Wenn man als Unfallgeschädigter auf Neuwagenbasis abrechnen möchte, sollte man das Urteil des Bundesgerichtshofs  kennen. Ansonsten besteht die Gefahr, dass man im Falle einer Klage ohne Erfolg bleibt. Jeder Sachverständige muss dieses Urteil kennen und seinen Kunden auf mögliche Probleme hinweisen.