Probefahrt

Vorsicht ist geboten!

Eine unbegleitete Probefahrt kann sehr teuer werden. Das hat der Bundesgerichtshof aktuell bestätigt. Uns überrascht dieses Urteil nicht, weil wir bereits vor Jahren einen Mandanten über mehrere Instanzen erfolgreich in einer ähnlichen Konstellation vertreten haben. Auch in unserem Fall hatte der Bundesgerichtshof ein Abhandenkommen verneint.

Worum geht es?

Der Bundesgerichtshof hatte die Frage zu klären, ob ein Fahrzeug -welches einem vermeintlichen Kaufinteressenten für eine Probefahrt überlassen und nicht zurückgebracht wurde- als “abhandengekommen” im Sinn des § 935 BGB zu bewerten ist. Wenn man das bejaht, dann kann ein Dritter kein Eigentum an dem Fahrzeug erwerben. Wenn man ein “Abhandenkommen” in dieser Konstellation verneint, dann kann ein Dritter gutgläubig Eigentum an diesem Fahrzeug erwerben. Der Gesetzgeber wollte mit der Normierung des § 935 BGB ursprünglich vermeiden, dass Dritte Personen Eigentum an Sachen erwerben können, bei denen der Eigentümer den Besitz gegen seinen Willen verloren hat (z. B. Diebstahl, Raub usw.). Ansonsten könnte ein Dieb eine Sache klauen und anschließend einem Dritten rechtmäßig Eigentum übertragen.

Was ist passiert?

In einem Autohaus (Klägerin) erschien ein vermeintlicher Kaufinteressent für ein als Vorführwagen genutztes Kraftfahrzeug (Mercedes-Benz V 220 d) im Wert von 52.900 €. Nachdem der vermeintliche Kaufinteressent einen hochprofessionell  gefälschten italienischen Personalausweis, eine Meldebestätigung einer deutschen Stadt und einen italienischen Führerschein vorgelegt hatte, wurden ihm für eine unbegleitete Probefahrt von einer Stunde auf der Grundlage eines “Fahrzeug-Benutzungsvertrages” ein Fahrzeugschlüssel, das mit einem roten Kennzeichen versehene Fahrzeug, das Fahrtenbuch und das Fahrzeugscheinheft sowie eine Kopie der Zulassungsbescheinigung Teil I ausgehändigt. Der vermeintliche Kaufinteressent kehrte mit diesem Fahrzeug jedoch nicht zurück, sondern verschwand spurlos.

Kurze Zeit später wurde dieses Fahrzeug im Internet zum Verkauf angeboten. Eine dritte Person (Beklagte) fand das Fahrzeug interessant und nahm Kontakt zum Verkäufer auf. Die Beklagte, die die vorgelegten Fahrzeugunterlagen nicht als gefälscht erkannte, schloss mit dem Verkäufer einen Kaufvertrag über das Fahrzeug. Ihr wurden nach Zahlung des Kaufpreises von in Höhe von 46.500 € das Fahrzeug, die Zulassungspapiere, ein passender sowie ein weiterer -nicht dem Fahrzeug zuzuordnender- Schlüssel übergeben. Anschließend wollte die Beklagte das Fahrzeug bei der zuständigen Behörde zulassen. Die Behörde lehnte eine Zulassung jedoch ab, da das Fahrzeug als gestohlen gemeldet war.

Die Klägerin verlangt von der Beklagten die Herausgabe des Fahrzeuges und des Originalschlüssels. Die Beklagte beantragte die Abweisung der Klage und verlangte stattdessen die Herausgabe der Original-Zulassungspapiere und des Zweitschlüssels. Die Beklagte vertrat die Auffassung, dass Sie gutgläubig Eigentum an dem Fahrzeug erworben habe. Das Landgericht Marburg gab der Beklagten Recht. Das  Oberlandesgericht Frankfurt am Main hob das Urteil auf und gab dem Kläger Recht. Die Revision wurde zugelassen, so dass der Bundesgerichtshof entscheiden musste/konnte.

Urteil des Bundesgerichtshofs

Der Bundesgerichtshofs gab der Beklagten Recht. Das Gericht kam zu dem Ergebnis, dass bei dem streitgegenständlichen Sachverhalt kein “Abhandenkommen” im Sinne des § 935 BGB vorlag, mit der Folge, dass die Beklagte das Eigentum an dem Fahrzeug gutgläubig erwerben konnte. Somit hatte die Klägerin das Eigentum an dem Fahrzeug an die Beklagte verloren.

Der Bundesgerichtshof stellte unter anderem fest, dass ein Abhandenkommen im Sinne des § 935 BGB einen unfreiwilligen Besitzverlust voraussetzt. Nach Auffassung des Bundesgerichthofs lag solch ein unfreiwilliger Besitzverlust hier nicht vor. Nach Auffassung des Gerichts ist eine Besitzübertragung nicht schon deshalb unfreiwillig, weil sie auf einer Täuschung beruht. Die Überlassung eines Kraftfahrzeuges durch den Verkäufer zu einer unbegleiteten und auch nicht anderweitig überwachten Probefahrt eines Kaufinteressenten für eine gewisse Dauer -hier eine Stunde- führt auch nicht zu einer bloßen Besitzlockerung, sondern zu einem Besitzübergang auf den Kaufinteressenten. Daher geht mit der (freiwilligen) Überlassung des Fahrzeugs zur Probefahrt der Besitz auf den vermeintlichen Kaufinteressenten über.

Unser Tipp an Autohändler:

Entweder finden nur noch begleitete Probefahrten statt oder Sie kontrollieren die Identität des vermeintlichen Kaufinteressenten auf eine noch sichere Art und Weise. Nur so können Sie vermeiden, dass Sie das Eigentum an dem Fahrzeug –durch einen Weiterverkauf/gutgläubigen Erwerb eines Dritten– verlieren.